Beispiel 2: SaturnSaturn: Das Prinzip Integration Während man im Mittelalter Jupiter "das große Glück" nannte, fürchtete man Saturn als "das große Übel" (Venus galt übrigens als "das kleine Glück" und Mars als "das kleine Übel"). Schmerz, körperliches oder seelisches Leid, Altern und Sterben gehören in unserer Kultur zu Schattenseite unserer Existenz, lösen Angst in uns aus. Wir haben Leid und Tod zu unseren Feinden erklärt. Im Kampf gegen diese Feinde geben wir jährlich Milliarden aus, auf der Flucht vor diesen Feinden laufen wir ihnen immer wieder in ihre offenen Arme. Um diesen Feinden wirksam begegnen zu können, muß man etwas über sie wissen. Also haben sich Menschen immer wieder damit beschäftigt, die Ursachen menschlichen Leids zu erkennen bzw. zu erforschen. Die Frage nach Wesen und Ursachen menschlichen Leids wurde dabei in den verschiedenen Epochen der menschlichen Geschichte sehr verschieden beantwortet: Rache oder gar Willkür der Götter, böse Geister, die Strafe des einen Gottes für "unmoralisches Verhalten" (d. h. für Verstöße gegen seine Gebote); in östliche Kulturkreisen: Karma, in unserer Zeit auf der einen Seite die Auffassung von einer funktionellen Störung im chemischen Haushalt unseres Körpers, die ggf. im Zusammenhang mit der Vererbung gesehen werden muß, auf der anderen Seite Entwicklungsstörungen in der frühen Kindheit (Psychoanalyse) oder aber einfach mehr oder weniger "zufällig" erfolgtes "falsches Lernen" (Verhaltenstherapie). Aber auch das, was eigentlich als Leid anzusehen sei, wurde zu verschiedenen Zeiten in unserer Geschichte und wird immer noch in verschiedenen Kulturen, die heute bestehen, verschieden bewertet: Denken wir an die Stellung der Frau in den Ländern des Orients, eine Stellung, die zu ertragen aus unserer Sicht Einschränkung, Mangel an seelischen und sozialen Entfaltungsmöglichkeiten, somit also seelisches Leid bedeutet. Denken wir an das Fehlen von Liebe in der Ehe, das "Nebeneinanderherleben" von Ehepaaren (wie sie es selbst oft nennen): Dieses Fehlen von Liebe war in den reinen Zweck-Ehen des Mittelalters eine Selbstverständlichkeit. Dort war es schließlich noch üblich, daß die Eltern ihren Kindern die Ehepartner aussuchten. Die "Liebesehe" ist nämlich eine Erfindung bzw. eine Errungenschaft der letzten zwei bis drei Jahrhunderte. Heute führt die damals selbstverständliche Situation oft einen oder beide Partner in die Sprechstunde eine Psychotherapeuten oder eines Astrologen. Wir sehen daran, wie stark die Erfahrung von Schmerz oder Leid etwas zu tun hat mit unserer Haltung und unseren Wertvorstellungen, wie stark das subjektive Empfinden von Schmerz oder Leid auch davon abhängt, welche Alternativen ich sehe, in gewissem Sinne also abhängt von meinem Anspruchs-Niveau an Glück und Schmerzfreiheit. Ich sagte einleitend, daß Schmerz, körperliches oder seelisches Leid Angst in uns auslösen. Und das, so denke ich, muß auch so sein: Schmerz wäre nicht Schmerz, wenn er nicht "weh tun" würde, wenn er nicht unangenehm wäre, wenn er also nicht ein Zustand wäre, auf den Mensch und Tier gleichermaßen mit Maßnahmen reagieren, die auf die Beendigung dieses Zustands hinzielen. Das ist der biologische Sinn des Schmerzes: Er soll uns vor Schaden bewahren. Er ist ein Alarmsignal, das uns deutlich macht, daß unsere körperliche oder aber unsere seelische Unversehrtheit bedroht ist. Es braucht wenig Phantasie, sich auszumalen, welche lebensgefährlichen Verletzungen wir uns täglich zuziehen würden, wenn wir keinen Schmerz empfinden könnten. Und es liegt auf der Hand, daß der Schmerz seine Alarmfunktion nicht erfüllen könnte, wenn wir auf Schmerz nicht "alarmiert" und mit vehementen Vermeidungs-Reaktionen antworten würden. Wenn sich Schmerz nicht so unangenehm aufdringlich bemerkbar machen würde, würden wir wohl in manchen Situationen aus Versehen oder weil andere Dinge als unsere körperliche Unversehrheit uns wichtiger erscheinen, unserem Körper erheblichen Schaden zufügen. Ich bin sicher, daß die Menschen z. B. nicht rauchen würden, wenn der Schaden, den sie damit ihrem Körper zufügen, sogleich durch Schmerz warnend gemeldet würde. Im alten Griechenland wurde der Bote, der eine Nachricht von einer verlorenen Schlacht überbrachte, häufig getötet. Ähnlich verhalten wir uns, wenn wir den Schmerz, den Überbringer der Botschaft, den Melder einer Gefahr, als unseren Feind empfinden. Der Schmerz ist, das kann man mit Fug und Recht sagen, unser Freund. Er ist ein Freund, der uns dadurch "Gutes tut", daß er so unangenehm wie möglich ist. Sowohl der Schmerz als auch die Angst vor dem Schmerz gehören funktional zusammen. Dieses biologisch wie psychologisch lebensnotwendige, lebenserhaltende Prinzip wird symbolisiert durch den Planeten Saturn. Astrologen sind mit seinen Eigenheiten viele Jahrhunderte hindurch ebenso umgegangen wie die Griechen dem erwähnten Boten. Sie nannten ihn, wie oben erwähnt, "Übeltäter", weil er, schmerzhaft, auf Unordnung in unserem Körper (und in unserer Seele) aufmerksam macht. Von den Reifungs- oder Wachstumskrisen, in die wir durch diese Funktion gestoßen werden, bemerkten sie nur den unangenehmen Aspekt, den jede Krise hat (haben muß), sahen in ihm eine Naturmacht, die Depressionen bringt und Prüfungen auferlegt. Dieses Bild hat sich mittlerweile, unter dem Einfluß der "psychologischen Astrologie" (siehe Kapitel 1) sehr gewandelt, doch der Prozeß der Neubewertung von Prinzipien wie Saturn ist bis heute nicht abgeschlossen. Das Prinzip "Integrität" meint die Impulse in Organismen, die auf die Aufrechterhaltung der Unversehrtheit (im umfassenden Sinn verstanden) des Organismus gerichtet sind. Es geht also um das Prinzip Schutz. Unversehrtheit (heil sein, ganz sein) verlangt nach Mechanismen, den Organismus vor schädlichen Einflüssen der Außenwelt (Kälte, Krankheitserreger) abgrenzen zu können, ist auch mit der Erhaltung (dem Schutz) der Form, speziell der äußeren Hülle, die die inneren Organe birgt, verbunden. So ist Saturn auch das formerhaltende, formgebende Prinzip, und dieses wiederum ist gleichbedeutend damit, eine Grenze zwischen innen und außen festzulegen. Auf der körperlichen Ebene entspricht dem Saturn-Prinzip z. B. der gleichermaßen Schutz gewährende wie Form gebende Panzer der Schildkröte. Bei einem Baum sind die Funktion der Formgebung und der Abgrenzung getrennt: Die Baumrinde schützt vor (einigen) äußeren Einflüssen, das Prinzip Formgebung und Formerhaltung ist nach innen verlegt. Dies ist auch beim Menschen der Fall: Die Haut ist zum einen ein Saturn-Organ, der Baumrinde verwandt, gewährt Schutz vor (einigen) äußeren Einflüssen. Sie ist aber, als "multifunktionelles Organ" auch ein Venus-Organ (Kontakt-Organ, Produktion von "Duftstoffen" etc.). Die Formgebende Funktion wurde nach innen verlegt (unser Skelett). Dies geschah durchaus im Einklang mit dem Saturn-Prinzip Schutz: Die Verlegung der Stütze nach innen ermöglicht dem Menschen, dem seine körperliche Ausstattung wenig Möglichkeiten bietet, Gefahren "abzuwehren", flexibal Gefahren "auszuweichen". - Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel bereits erwähnt, wird dem Saturn seit Alters her die Milz zugeordnet. Wir wissen heute, daß in der Milz die Antikörper gebildet werden, d. h. die Milz ist ein zentrales Organ unseres Immunsystems, das uns von innen her vor Gefahren (Krankheitserregern z. B.) schützt.
Auf der psychischen Ebene entspricht dem Saturn-Prinzip
der Schmerz (er ist ein gleichermaßen körperliches
wie psychisches Phänomen) und die Angst. Angst
und Schmerz sind Alarmsignale: sie machen uns auf eine
(innere oder äußere) Gefahr aufmerksam.
Angst macht vorsichtig. Der Orientierung an der Gefahr
entspricht als Seelenhaltung zudem der Ernst. Wenn
es um die Abwehr von Gefahren für den Organismus
geht, dann ist keine Zeit für Spiel oder Heiterkeit,
auch nicht für Ästhetik und Wohlbefinden:
es geht dann darum, daß das Notwendige getan
wird. Diese Angst ist die Quelle dessen, was wir "Gewissen" (besser: Schuldgefühl) nennen: Wenn wir die Gruppen-Normen verletzen, droht die Gruppe uns mit Sanktionen. Die Gruppe muß Individuen, die nicht in der Lage sind, selbstbezogene Impulse den Gruppen-Normen unterzuordnen, oder die aus anderen Gründen (etwa wegen einer ansteckenden Krankheit) eine Gefahr für den Bestand des ganzen Kollektivs darstellen, aus dem Kollektiv ausschließen, wenn es nicht alle Mitglieder des Kollektivs gefährden will. Ein anderer Aspekt dessen, was wir umgangssprachlich Gewissen nennen, gründet auf der Jupiter-Funktion: Das "Jupiter-Gewissen" ist nicht der Ausdruck von Schuld und Angst sondern Ausdruck der Unzufriedenheit, den eigenen Idealen nicht gerecht zu werden, daß ich mir letztlich mit dem, was ich da gerade tue, selbst keinen guten Dienst erweise. In der Sphäre des Geistigen symbolisiert Saturn das Gedächtnis (allgemeiner: die gesammelte Erfahrung), die Funktion des Speicherns von Informationen (Merkur dagegen das Prinzip der Informationsverarbeitung: unterscheidendes Wahrnehmen, logische Schlüsse ziehen, logische Relationen herstellen). Erfahrungen sind nicht einfach "Bilder", nicht einfach nur "Wahrgenommenes": Mit Erfahrungen sind hier erlebte Abläufe gemeint, das, was man in den Wissenschaften "empirische gewonnene Fakten" nennt. Erlebte Abläufe führen zur Bildung von Regeln, von (Natur-) Gesetzen. Naturgesetze (durch Erfahrung gefundene Regelmäßigkeiten) sind die Domäne des Saturn, Gesetze der Logik die Domäne des Merkur. Saturnbetonte Menschen sind durch eine natürliche Akzeptanz (gesellschaftlicher) Normen gekennzeichnet. Sie tragen gern Verantwortung, wobei hier ein anderer Aspekt dessen gemeint ist, was wir umgangssprachlich als Verantwortung bezeichnen, als wir es bei dem Sonnen-Prinzip kennengelernt haben: Bei Saturn geht es nicht um Selbstmächtigkeit sondern um Pflicht, verstanden als das Akzeptieren der Ansprüche des Kollektivs an das Individuum. Verantwortung im saturnischen Sinn hat damit zu tun, jemandem (dem Kollektiv) Rechenschaft schuldig zu sein für mein Tun. Sie bevorzugen die Einhaltung bestimmter Formen im zwischenmenschlichen Verkehr und empfinden solche Formen als eine Erleichterung (im Straßenverkehr würde ohne die Einhaltung bestimmter Regeln ein Chaos entstehen). Sie vertrauen der Erfahrung mehr als spekulativen Entwürfen und verkörpern daher ein konservatives Element. Bei Überbetonung des Prinzips entsteht Pessimismus, das Kleben an Formen erstickt jede Spontaneität, Gerechtigkeit wird zur buchstabengetreuen Einhaltung von Normen pervertiert. Wenn Abgrenzung aus Selbstschutz und Einhaltung von Regeln dominierende Motive werden, dann erkalten die Gefühle, aus Ernst wird Verbissenheit (Alters-Starrsinn), aus Trauer Depression. Solche Menschen isolieren sich selbst durch ihr Verhalten von anderen, ihr Lebensfunke scheint gleichsam nur noch zu glimmen, und die erstickte Vitalität führt zu Gebrechen aller Art, deren einzige Ursache ist, daß der Lebensimpuls nicht mehr frei fließt. |
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© Copyright 1998 Dr. Peter Niehenke [02/Feb/98/TJK] |