Kapitel 1: Eine drei Jahrtausende alte Kontroverse um die Astrologie
Als Wiege der Astrologie gilt heute Babylonien. Dort
führte eine ausgeprägte Gestirnreligion und
die fortlaufende Gestirnbeobachtung zu dem Gedanken,
daß die Götter durch die Stellung der Gestirne
den Menschen ein Zeichen, ein "Omen" geben
wollten. "Durch Jahrtausende habe die babylonischen
Sternforscher die seltsamen Bewegungen der Gestirne
beobachtet, aber immer nur gefragt: 'Was will der Gott
damit sagen?' Sie haben die Antwort im steten Vergleich
mit etwa gleichzeitig auftretenden irdischen Erscheinungen
zu finden gesucht." Nur die unvorhersehbaren Vorgänge
galten ihnen dabei als Omen, also nicht das tägliche
Auf- und Untergehen der Sonne, wohl aber die Bewegungen
der Planeten durch die Sternbilder, das Auftauchen
von Kometen usw. . In Kapitel 3 werde ich erläutern,
daß die Planeten auf sehr "auffälligen"
Bahnen durch die Sternbilder laufen, und die Bahn eines
Planeten war zunächst für die Babylonier
nicht berechenbar, genausowenig wie das "unvorhersehbare"
Erscheinen eines Komenten.
Daß die Stellung der Gestirne eine Bedeutung für
das menschliche Schicksal habe, war für die Babylonier
also keine Frage. Was es allein zu untersuchen galt,
war die Frage, wie die Botschaft der Götter zu
entschlüsseln sei.
Den Griechen jedoch, die der von den Babyloniern übernommenen
Astrologie ihre im wesentlichen noch heute gültige
Form gaben, kamen erste Zweifel: Als sich zeigte, daß
auch die unregelmäßigen Vorgänge (die
scheinbar "unberechenbaren" Bewegungen der
Planeten), die in ihrer Unvorhersehbarkeit den Babyloniern
als "ominös" gegolten hatten, bestimmten
Gesetzen gehorchten und also vorausberechenbar waren,
verlor die Anschauung, daß die Götter damit
den Menschen Zeichen geben wollten, den Boden. PLATO
war daher der Meinung, "daß somit Astrologie
als Omendeutung allen Grund verloren habe."
Seither wird die Astrologie in unserem Kulturkreis kontrovers
beurteilt. Sie erlebte ausgesprochene Phasen der Blüte
und allgemeiner, auch "wissenschaftlicher"
Anerkennung, in denen allerdings die Gegenstimmen
nie verstummten. Und sie erlebte Phasen des Niedergangs,
wurde "verdammt" und verboten, ohne jedoch
jemals alle ihre Anhänger zu verlieren.
PLATOs Freund, der Astronom EUDOXOS VON KNIDOS, verurteilt
die Astrologie. THEOPHRASTUS, ein Schüler von
ARISTOTELES - der selbst die Astrologie allerdings
ablehnte -, bewundert ihre erstaunlichen Vorhersagen.
PTOLOMAEUS (2. Jhd.) preist die Astrologie als "eine
Krone des Menschengeschlechts und ihre ehrwürdige
Weisheit als ein Zeugnis Gottes" ; KARNEADES VON
CYRENE, der im Jahre 156 als Gesandter Athens nach
Rom kam, bringt Einwände gegen sie vor, die auch
heute noch nichts von ihrer Aktualität eingebüßt
haben.
Viele römische Kaiser waren geradezu abhängig
von der Astrologie - meist in ihrer wahrsagerischen
Form -, doch gab es ebenso erbitterte Feide: Kaiser
JUSTINIAN drohte im Jahre 533 den Astrologen gar mit
der Todesstrafe.
PAPST LEO X richtete an der von ihm gegründeten
päpstlichen Universität im Jahre 1520 einen
Lehrstuhl für Astrologie ein; PAPST PAUL III setzt
wenige Jahrzehnte später Bücher, "die
es wagen, über künftige sich ereignende Erfolge
oder zufällige Begebenheiten oder solche Handlungen,
die vom menschlichen Willen abhängen, etwas als
gewiß geschehend zu behaupten", auf den
"Index der verbotenen Bücher".
Für die Pionoiere der modernen Naturwissenschaften
war der Glaube an astrologische Zusammenhänge
offensichtlich durchaus vereinbar mit einer "rationalen"
Erforschung der Gesetzmäßigkeiten der Natur.
Dies ist nicht verwunderlich, wenn wir bedenken, daß
das Verständnis dieser Gesetzmäßigkeiten
sich etwa bei NEWTON noch wesentlich von unserem heutigen
Verständnis unterschied. Für NEWTON war das
"Meßbare" (siehe Endnote ?), das "quantitativ
Faßbare", nicht das einzig Reale, wie es
viele Wissenschaftler (speziell Naturwissenschaftler)
heute sehen. Er war zwar Naturwissenschaftler, doch
nur, um in den Gesetzen der Natur "Gottes Plan
zu erkennen". Er studierte daher nicht nur die
Natur, sondern auch die Schriften und Sagen, weil er
sie für eine Quelle wichtiger Informationen hielt.
Er war der Meinung, daß Gott ab und zu in das
Naturgeschehen eingreift, um z. B. die Planeten wieder
auf die "richtige Bahn" zurückzusetzen
(weil die Planeten nicht ganz gleichmäßig
laufen).
GALILEI glaubte, um ein anderes Beispiel zu nennen,
daß eine rotierende Kugel durch Geister zur Ruhe
gebracht würde (weil er die Gesetze der Reibung
noch nicht kannte).
KEPLER hat sich, wie immer wieder ja auch angeführt
wird, intensiv mit Astrologie beschäftigt und
auch Horoskope erstellt. Einige Autoren, die sich nicht
damit abfinden können, daß ein so bedeutender
Wissenschaftler Astrologie betrieben haben soll, versuchen
dies so darzustellen, als habe diese Tätigkeit
ausschließlich der Aufbesserung eines kleinen
Gehalts gedient und sei von ihm nie wirklich ernsthaft
gemeint gewesen. In seiner Schrift: "Warnung an
die Gegner der Astrologie." (1610) ermahnt KEPLER
jedoch die Gegner sehr, bei der Ablehnung der Astrologie,
gegen deren wahrsagerische Auswüchse er selbst
immer wieder kritisch Stellung genommen hatte, "nicht
das Kind mit dem Bade auszuschütten".
Auch heute, gegen Ende des 20. Jahrhunderts, hat sich
an dieser Situation für die Astrologie nichts
geändert. Gegner wie Befürworter der Astrologie
können sich beide sowohl auf Äußerungen
wissenschaftlicher Autoritäten wie auf einen breiten
Konsens mit der Bevölkerung stützen (die
ja, wie im ersten Abschnitt erwähnt, bezüglich
des Glaubens an die Astrologie exakt in zwei Hälften
gespalten ist). In Akademiker-Kreisen überwiegt
allerdings die Ablehnung der Astrologie. Man könnte
meinen: Die "gebildeten" Menschen lehnen
Astrologie also doch ab. Eine solche Deutung dieser
Tatsache wird aber dadurch stark relativiert, daß
sich diese Ablehnung in vielen Fällen, entgegen
wissenschaftlichen Idealen, nicht auf unbefangene Prüfung
und Information stützt, sondern auf Vorurteile.
So wurden z. B. mehrere Nobelpreisträger (!),
die im Jahre 1975 ein Manifest gegen die Astrologie
unterzeichnet hatten, von BBC-Reportern befragt: Sie
verweigerten weitere Stellungnahmen mit der Begründung,
daß sie sich mit der Astrologie nie näher
beschäftigt und so keine Vorstellungen von den
Details hätten.
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