Ko(s)misches WetterIm vorangegangenen Kapitel habe ich die Astrologie, um die es in dieser Schrift gehen soll, "psychologische Astrologie" genannt, und dies hauptsächlich damit begründet, daß Astrologie in erster Linie eine Typologie menschlicher Charaktere sei. Dies ist richtig, um die Art der Aussagen zu charakterisieren, die astrologisch möglich sind. Astrologie hat ihren Namen allerdings, wie gerade beschrieben, daher, daß sie einen Zusammenhang herstellt zwischen solchen Aussagen und der Stellung der Gestirne. Die Kritik an der Astrologie bezieht sich nicht hauptsächlich darauf, ob ihre Typologie sich gut zur Beschreibung menschlicher Empfindungs- und Verhaltensweisen eignet. Kritisiert wird die Behauptung, daß bestimmte Eigenschaften an der Stellung der Gestirne ablesbar seien.
Die Astrologie besteht, genau genommen, aus drei Elementen: Der Grundgedanke der Astrologie Wenn man sich nicht unzulässiger Vereinfachungen schuldig machen will, kann man heute allerdings noch nicht definitiv festlegen, was Astrologie eigentlich ist. Um dies festlegen zu können, müßte man verstanden haben, worauf sie eigentlich basiert, welcher Art Zusammenhang dieser "Zusammenhang zwischen Kosmos und Bios" ist. Diese Frage können wir aber (noch) nicht beantworten. Wir wissen bis heute eigentlich nur eines (relativ) sicher: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Stellung der Gestirne im Moment der Geburt eines Menschen und den Charaktereigenschaften dieses Menschen. Nach Meinung einiger führender Wissenschaftler ist dies mittlerweile eine wissenschaftliche Tatsache - auch wenn wir nicht genau wissen, von welcher Natur dieser Zusammenhang ist, wie wir uns also einen solchen Zusammenhang erklären könnten. Ich kann also hier nur ein Denkmodell vorstellen, ein Modell, das allerdings zu einem gewissen Teil auch wissenschaftlich abgesichert ist. Ich beginne mit einer etwas abstrakt klingenden Definition: Astrologie ist, in allgemeinster Form ausgedrückt, die Deutung räumlicher Verhältnisse und zeitlicher Abläufe in unserem Sonnensystem. Sie basiert auf der Grundannahme, daß die sich aus solchen Verhältnissen ergebenden Rhythmen in Zusammenhang stehen mit physikalischen, biologischen und psychischen Abläufen in Organismen auf der Erde. Wenn ein Kind geboren wird, so die Überzeugung der Astrologen, dann erfolgt die Geburt eingebettet in solche kosmischen Rhythmen. Eine Geburt erfolgt also nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt, sondern sie erfolgt dann, wenn die Konstellationen passend sind. Ein Zitat aus einem Buch des amerikanischen Arztes Arnold LIEBER, der sich mit möglichen Einflüssen des Mondumlaufs auf Organismen beschäftigt hat, mag dies verdeutlichen: "Schalentiere in Gezeitengewässern könnten ihr Zeitmaß dem Gezeitenwechsel entnehmen, oder sie könnten es auf andere Weise erhalten. Um die Rhythmisierung durch die Gezeiten zu untersuchen, ließ Dr. Brown für sein Labor in Evanston Austern von der Küste Connecticuts einfliegen. Von den Austern war bekannt, daß sie ihre Schalen bei Flut öffneten. Im Laboratorium wurden die Versuchtsbedingungen so sorgsam wie möglich überwacht. Keine äußeren Einflüsse durften zu den Austern in ihre Seewasser-Behälter gelangen. In der ersten Woche öffneten die Austern ihre Schalen zu den Zeiten, während derer auf ihren angestammten Bänken in Connecticut Fluten eintraten. Sie setzten ihren gewohnten Rhythmus fort. Nach Ablauf von zwei Wochen änderte sich allerdings ihr zeitliches Verhalten. Nun öffneten sie ihre Schalen, wenn der Mond im Zenith ihrer neuen Heimatstatt in Illinois stand. Wäre Evanston eine Küstenstadt, dann träte zu dieser Zeit die Flut ein." Wir haben hier ein solches Eingebettet-Sein in kosmische Rhythmen. Wegen des Zusammenhangs von Mondstellung und Gezeiten (siehe Abbild 1) steht uns dafür allerdings auch eine naheliegende Erklärung zur Verfügung. Erstaunlich ist aber, daß die Austern als Zeitgeber nicht direkt auf den Wechsel von Ebbe und Flut reagieren (einen solchen Wechsel gab es in den Seewasser-Behältern ja nicht), sondern auf die Stellung des Mondes. Astrologen sind nun davon überzeugt, daß in einer weit komplizierteren und weniger augenfälligen Weise alle lebenden Organismen in die verschiedensten kosmischen Rhythmen eingebettet sind, also nicht allein in Rhythmen, die durch den Mond erzeugt werden (Gezeiten ) oder die durch die Stellung der Erde zur Sonne erzeugt werden (Jahreszeiten). Das Experiment von Dr. Brown zeigt, daß Organismen auf "kosmische Auslöse-Reize" reagieren, in diesem Fall auf die Stellung des Mondes. Der Astrologe stellt nun folgende Arbeits-Hypothese auf: Jeder Organismus reagiert auf kosmische Reize gemäß seiner "Art", gemäß seiner "Veranlagung": eine Muschel anders als ein Rind und dieses anders als ein Mensch. Und auch die Menschen reagieren, je nach Veranlagung, unterschiedlich. Daß Menschen auf kosmische Reize unterschiedlich reagieren, ist plausibel, denken wir zum Vergleich an die Wetterfühligkeit, die bei verschiedenen Menschen sehr verschieden ausgeprägt ist. Ähnlich wie bei der unterschiedlichen Reaktion auf elektromagnetische "Stürme" in der Atmosphäre, die vermutlich für die Wetterfühligkeit verantwortlich sind, kann man sich vorstellen, daß bestimmte Organismen von dem einen kosmischen Reiz eher aktiviert werden, von einem anderen eher gedämpft. Und es ist ebenso denkbar, daß ein anderer Organismus auf die gleichen Reize anders reagiert. (Für die Austern ist es sinnvoll, auf den kosmischen Reiz "Mond im Zenit" mit der Öffnung ihrer Schalen zu reagieren.) Durch Forschungen an der Universitäts-Frauen-Klinik in München wissen wir nun seit etwa einem Jahrzehnt, daß bei einer Geburt der Fötus selbst durch die Ausschüttung eines Hormons den Geburtsvorgang einleitet. Auch Föten reagieren, ihrer Veranlagung gemäß, unterschiedlich auf kosmische Auslöse-Reize: Der eine Fötus reagiert vielleicht auf die Stellung des Mondes im Zenith mit Aktivität, der andere wird dadurch "beruhigt". Der dritte reagiert vielleicht auf die Stellung von Mars im Zenith mit Aktivität, und wenn er biologisch reif ist zur Geburt, dann ist es vielleicht genau die Art von Aktivität, die den Geburtsvorgang einleitet. Es wäre also denkbar, daß bestimmte Konstellationen bestimmte Föten zur Ausschüttung des geburtseinleitenden Hormons anregen, in anderen Worten: daß bestimmte Konstellationen bei ganz bestimmten Föten (solchen nämlich, die aufgrund ihrer Veranlagung auf diese Reize "ansprechen") die Einleitung einer Geburt "stimulieren". Wir könnten nun Menschen in verschiedene Gruppen einteilen: Eine Gruppe von Menschen, die geboren wurde, als der Mond gerade im Zenit stand (vielleicht haben solche Menschen ja etwas mit Austern gemeinsam...), eine andere Gruppe, die geboren wurde, als der Mars gerade im Zenit stand, usw. Jede dieser Gruppen hätte etwas gemeinsam: eine "Sensibilität" für den kosmischen Auslöse-Reiz des entsprechenden Gestirns. Man könnte dann untersuchen, ob Menschen, die eine solche "Sensibilität" teilen, auch noch andere Ähnlichkeiten haben. Wenn dem so wäre, dann würde das bedeuten, daß ähnliche Menschen dazu tendieren, unter ähnlichen Konstellationen geboren zu werden, weil sie im Stadium des reifen Fötus durch ähnliche Konstellationen dazu stimuliert werden können, den Geburtsvorgang einzuleiten. Wenn aber ähnliche Menschen dazu tendieren, unter ähnlichen Konstellationen geboren zu werden, dann darf man umgekehrt beim Vorliegen ähnlicher Konstellationen vermuten, daß es sich auch um ähnliche Menschen handelt. Und das ist die Überzeugung der Astrologen. Ich möchte an dieser Stelle besonders hervorheben, daß durch die Stellung der Gestirne nicht etwa die Eigenheiten eines Menschen bestimmt (verursacht, geprägt) werden. Die Eigenschaften eines Menschen werden durch Vererbung und biologische Einflüsse während der Schwangerschaft festgelegt. Aufgrund dieser (durch die Vererbung und sonstige Einflüsse festgelegten) Veranlagung reagiert er auf kosmische Reize individuell, seiner Art gemäß. An dieser Reaktion kann man ablesen, wer er ist: Ein Mensch verrät seine Natur durch seine Vorliebe für einen bestimmten Geburts-Augenblick. Das ist der Grundgedanke der Astrologie. Die Vorstellung, daß die Aussagemöglichkeiten der Astrologie auf einer Sensibilität der Organismen für kosmische Rhythmen beruhe, löst ein im Zusammenhang mit der Astrologie häufig diskutiertes Problem: Es geht um die Frage, ob es nicht eine zwingende Konsequenz der Wahrheit der astrologischen Lehre wäre, daß wir, daß unser Schicksal schon bei der Geburt vollständig festgelegt sei (das Problem der "Willensfreiheit"). Im Lichte der gerade beschriebenen Vorstellung ist unser Leben zwar eingebettet in kosmische Rhythmen, ist aber durch diese Rhyhtmen nicht vollständig determiniert, genau so wenig wie wir durch den Tag-Nacht-Rhythmus in unserem Schlafverhalten determiniert sind oder wie Winterschläfer durch den Jahreszeiten-Rhythmus im Winter zum Schlafen determiniert sind. Winterschläfer haben aber eine Neigung, im Winter zu schlafen! - Auf diese Weise bekommt der im ersten Abschnitt bereits zitierte Satz von THOMAS VON AQUIN: "Die Sterne machen geneigt, sie zwingen nicht", eine anschauliche Bedeutung. |
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© Copyright 1998 Dr. Peter Niehenke [02/Feb/98/TJK] |