Kapitel 4: Die Tierkreiszeichen - Einleitung
Die Zuordnung der Planeten zu Lebensgrundfunktionen
ist die zentrale Idee, die Grundlage der hier dargestellten
Form von Astrologie. Unabhängig davon, ob die
dabei beschriebenen Lebensfunktionen mit den ihnen
zugeordneten Planeten tatsächlich in Beziehung
stehen, werden durch diese Prinzipien implizit die
grundlegenden Eigenschaften des Lebendigen charakterisiert.
Man könnte sagen: Hier wird nebenbei eine Interpretation
dessen gegeben, was "Leben" ist. Wenn die
hier vorgestellte Form von Astrologie einen Sinn haben
soll, dann müssen die beschriebenen Lebensgrundfunktionen
in ihrer Gesamtheit eine sinnvolle und umfassende Charakterisierung
der Eigenschaften des Lebendigen sein (wohlgemerkt:
in einem ganzheitlich-verstehenden Sinn, nicht im Sinne
einer naturwissenschaftlichen Theorie). Daß dies
der Fall ist, sollte durch die ausführliche Darstellung
der einzelnen Funktionen im vorherigen Abschnitt demonstriert
werden.
Die anderen Grundbausteine des Horoskops sollen nun
in einer weniger ausführlichen Form dargestellt
werden.
Die Tierkreiszeichen symbolisieren, wie in der Einleitung
zu diesem Kapitel bereits erläutert, Stilprinzipien.
Um zu verdeutlichen, was mit dem Begriff "Stil"
in diesem Zusammenhang gemeint ist, sollen zwei Facetten
dieses Begriffs näher erläutert werden, der
Begriff der Dynamik und der Begriff des Temperaments:
Mit "Dynamik" bezeichnet man typische Bewegungsabläufe,
typische zeitliche Muster bei der Realisierung einer
(durch einen Planeten symbolisierten) Funktion. Ein
Beispiel für ein solches zeitliches Muster wäre
folgende Charakterisierung des (Arbeits-) Verhaltens
eines Lebewesens: mit der Zeit abnehmender Energie-Einsatz.
Mit "Temperament" bezeichnet man typische
Formen der Verarbeitung von Reizen aus der Umgebung
und der Reaktion auf solche Reize. Beispiel: durch
Veränderungen im unmittelbaren Umfeld leicht ablenkbar.
Wir unterscheiden in der Astrologie drei grundlegende
Äußerungsformen der Dynamik, die wir kardinal,
fix und beweglich nennen, und vier grundlegende Varianten
des Temperaments: Die Einteilung in vier Temperaments-Typen
hat ihre Wurzeln in der pythagoräischen Lehre
von den vier Elementen und der von dem griech. Arzt
Hippokrates vorgenommenen Zuordnung dieser Elemente
zu den vier sog. Körpersäften, in deren unterschiedlicher
Mischung bei den verschiedenen Menschen er wiederum
die Ursache für deren Temperamentsunterschiede
sah (lat. temperare = mischen).
Die vier Temperamente werden in der Astrologie nach
den vier (pythagoräischen) Elementen Feuer, Wasser,
Erde und Luft benannt. Dabei sind jedem dieser Elemente
drei der zwölf Tierkreiszeichen zugeordnet, die
analog die Feuer-, Wasser-, Erde- und Luftzeichen genannt
werden. Die drei zu einem Element gehörenden Tierkreiszeichen
werden nun den drei Äußerungsformen der
Dynamik so zugeordnet, daß die zwölf Tierkreiszeichen
sich als Kombination von Elementen und Formen der Dynamik
darstellen lassen.
Damit ist nicht gemeint, daß sich die Bedeutung
der Tierkreiszeichen ausschließlich als Kombination
dieser zwei grundlegenden Facetten des Begriffs Stil
verstehen läßt (ihre Bedeutung ist wesentlich
komplexer), doch wichtige Aspekte der Tierkreiszeichen-Bedeutung
lassen sich aus dieser Kombination herleiten.
Nach der gerade gegebenen Beschreibung scheint die Einteilung
der Tierkreiszeichen in Elemente und Dynamik willkürlich
so erfolgt zu sein, daß es "gut paßt".
Tatsächlich wurden, historisch betrachtet, die
Tierkreiszeichen vor der Verbindung der Elementenlehre
mit der Astrologie (durch einen griech. Astrologen
namens Antiochos von Athen) bereits in ihrer auch heute
noch gültigen Form gedeutet. Die zwölf Zeichen
wurden nachträglich in vier mal drei Zeichen (analog
den vier Elementen) unterteilt. Meines Erachtens wurde
dabei aber nur eine inhärente Struktur in der
Abfolge der Tierkreiszeichen offengelegt. Es ist vergleichbar
der Anwendung eines gedanklichen Modells auf einen
Naturvorgang in der Physik: Viele Naturzusammenhänge
wurden entdeckt, weil ihre Existenz aus der Lösung
einer mathematischen Gleichung, die das gedankliche
Modell in mathematischer Formelsprache beschrieb, gefolgert
wurde.
Aus systemtheoretischer Perspektive handelt es sich
bei den hier "Stilprinzipien" genannten Dimensionen
um grundlegende Entwicklungs- und Reaktionsmuster,
Prozeßcharakteristika selbstorganisierender Systeme.
Die drei Äußerungsformen der Dynamik und
die vier Elemente sollen nun kurz skizziert werden:
Die kardinale Dynamik ist gekennzeichnet durch das In-Gang-Setzen
von Prozessen, durch Anstoß-Geben. Dem entspricht
eine Orientierung am energetischen Aspekt (Energiequellen,
Antriebskräfte).
Die fixe Dynamik ist gekennzeichnet durch die Aufrechterhaltung
bestehender Prozesse, durch regulativ und stabilisierend
wirkende Aktionen. Dem entspricht eine Orientierung
an "Struktur" und "Fundamenten".
Die bewegliche Dynamik ist gekennzeichnet durch bewegliche
Anpassung von Prozessen an wechselnde Umgebungsbedingungen,
durch flexibilisierende und Mobilität fördernde
Aktionen. Dem entspricht eine Orientierung an "Wegen"
(Kommunikation, Transport, Verkehr).
Diese Charakterisierungen wirken noch recht abstrakt.
Sie werden durch die Kombination mit den Elementen
bei der Beschreibung der einzelnen Tierkreiszeichen
anschaulicher und konkreter werden.
Die Wirkungsweise der Elemente könnte man mit der
Wirkung unterschiedlicher Filter beim Fotografieren
vergleichen. Die Betonung eines Elements (dadurch,
daß viele Planeten in den Zeichen stehen, die
zu diesem Element gehören) wirkt wie ein Wahrnehmungsfilter,
der bestimmte Aspekte der Realität (in der Fotografie:
bestimmte Farben) besser durchläßt und andere
schlechter oder gar nicht.
Wasserzeichen reagieren primär auf die emotionalen
Aspekte einer Situation. Der Psychologe Carl Gustav
Jung spricht vom "Fühltyp". Dies ist
nicht zu verwechseln mit einer Dominanz des Planeten
Mond. Hier ist ein Modus der Verarbeitung, nicht eine
Antriebskraft gemeint. So bedeutet Mars in den Wasserzeichen
nicht etwa Anteilnahme (eine Mond-Entsprechung), sondern
diese Stellung des Mars weist darauf hin, daß
die Art der Selbstbehauptung bei diesem Menschen nicht
so sehr rational kalkuliert, sondern eher aus einer
gefühlsmäßigen Betroffenheit heraus
erfolgt und entsprechend durchgeführt wird, daß
sie sich vielleicht auch eher sanfter Methoden bedient
(was ihre Effizienz allerdings keineswegs schmälern
muß). Ein typisches Mittel besteht darin, sich
dadurch zu behaupten (d. h. die eigenen Interessen
durchzusetzen), daß man im anderen Schuldgefühle
oder Mitleid erzeugt und seine Durchsetzungsfähigkeit
dadurch schwächt. - Eine typische Entsprechung
auf der Ebene des Temperaments ist die entspannte Passivität
(im Sinne der hippokratischen Lehre: der phlegmatische
Typ).
Bei den Luftzeichen dagegen ist der primäre Modus
der Verarbeitung geistig-intellektuell. Jung spricht
vom "Denktyp". Auch dies ist nicht zu verwechseln
mit einer Dominanz des Planeten Merkur. Der Mond in
den Luftzeichen deutet beispielsweise darauf, daß
die Anteilnahme dieses Menschen (z. B. an einem leidvollen
Erlebnis einer anderen Person) vielleicht nicht so
lang anhält wie bei einem Menschen mit Mond in
den Wasserzeichen, also "flüchtiger"
ist (wasserzeichen-betonte Menschen empfinden das als
oberflächlich), daß sich diese Anteilnahme
vielleicht auch eher in der Form einer gedanklichen
Auseinandersetzung mit dem Geschehen äußert
als darin, mitzuweinen. - Eine typische Entsprechung
auf der Ebene des Temperaments ist heitere Unbekümmertheit
(im Sinne der hippokratischen Lehre: der sanguinische
Typ).
Erdzeichen reagieren am ehesten auf das, was die Sinne
anspricht. Jung spricht vom "Empfindungstyp".
Sie sind damit der materiellen Ebene am nächsten.
Merkur in den Erdzeichen ist ein Hinweis darauf, daß
die Schlüsse (die Logik) dieses Menschen sehr
am Sinnlich-Anschaulichen orientiert sind: Der Doppelsinn
des Wortes "begreifen", einmal im Sinne von
etwas verstehen und einmal im Sinne von etwas befühlen,
etwas anfassen, erinnert daran, daß viele Begriffe
Abstraktionen aus konkret-sinnlichen Erfahrungen sind.
Die (auch gedankliche) Verhaftung an der konkreten
sinnlichen Realität gibt den Verhaltensweisen
dieses Typs eine gewisse Schwere: körperliche
Prozesse unterliegen den Gesetzen der Materie; in Gedanken
geht alles schneller und buchstäblich leichter
als in der konkreten Realität. - Eine typische
Entsprechung auf der Ebene des Temperaments ist die
Nachhaltigkeit aller Reaktionen. Diese Menschen sind
schwer umzustimmen, von einem einmal gefaßten
Entschluß schwer wieder abzubringen, von tief
in ihrer Seele verankerten Wünschen nicht ablenkbar,
bei deren Nichterfüllung schwer zu trösten
(im Sinne der hippokratischen Lehre: der melancholische
Typ).
Feuerzeichen schließlich reagieren besonders auf
einen Aspekt der Realität, der für die Sinne
nicht wahrnehmbar ist: die symbolische Ebene, die Ebene
des Bedeutungshaften. Jung spricht vom "intuitiven
Typen". Bedeutet Geld z. B. für einen erdzeichen-betonten
Menschen primär ein Äquivalent für das,
was er mit diesem Geld erwerben kann (für Konsummöglichkeiten
also), so bedeutet es für einen feuerzeichen-betonten
Menschen u. U. den "Beweis für seine Leistungsfähigkeit",
vielleicht auch den Ausdruck dafür, daß
"das Glück im wohlgesonnen" ist. Feuerzeichen-betonte
Menschen haben eine natürliche Nähe zum Theater,
das ja ursprünglich aus kultischen Handlungen
entstanden ist: Masken und Kulissen "stehen für
etwas", und auf das, was sie meinen (bedeuten),
kommt es an, nicht darauf, daß sie "in Wirklichkeit
ja nur aus Pappe sind". So sehen feuerzeichen-betonte
Menschen auch das Leben insgesamt: als eine faszinierende
Folge von Dramen, Lustspielen, Tragödien und Komödien.
- Eine typische Entsprechung auf der Ebene des Temperaments
ist die Begeisterungsfähigkeit (in der hippokratischen
Einteilung: der cholerische Typ).
Ein Stilprinzip ohne einen Bezug zur Dimension seiner
Konkretisierung zu formulieren, ist sehr schwierig
(zur Kennzeichnung eines musikalischen Stils werde
ich ganz andere Begriffe benötigen als zur Kennzeichnung
eines Baustils). So wirkt sich das Stilprinzip Widder
ganz anders aus, wenn ich es auf die Lebensgrundfunktion
Mars beziehe als wenn ich es auf die Funktion Mond
beziehe. Aus diesem Grunde sind die bei der folgenden
Beschreibung der einzelnen Tierkreiszeichen aufgeführten
Stil-Entsprechungen sehr heterogen und nur als Beispiele
für mögliche Konkretisierungen dieses Stilprinzips
zu verstehen. Sie dürfen auch nicht als Eigenschaften
von Menschen verstanden werden, sondern sind Realisierungsformen
bestimmter Antriebe der Menschen (Lebewesen). Es soll
deutlich werden, welcher Reichtum an konkreten Entsprechungen
sich allein aus der Kombination dieser zwei Grundprinzipien
ergibt.
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