Kapitel 2: Das Wesen der astrologischen Symbole
Der Unterschied zwischen symbolischen Handlungen und magischen Ritualen
Der kleine Junge, der Blutbrüderschaft mit seinem
Freund schließt, gibt damit "feierlich"
ein besonderes Versprechen. (Auch wenn er noch sehr
klein ist und alles sehr spielerisch abläuft,
fühlt er doch irgendwie, daß es etwas Besonderes
ist, was er da tut.) Er fühlt sich durch die Handlung
in einer besonderen Weise an seinen Freund gebunden.
Sich an dieses Versprechen nicht zu halten, wäre
eine Art Verrat, irgendetwas wäre "entweiht".
- Auch für einen erwachsenen Indianer, der mit
einem Freund Blutsbrüderschaft schließt,
ist dieser Bund in einem gewissen Sinn "heilig".
Das Schließen einer Blutsbrüderschaft ist
eine symbolische Handlung. Sie ist eine besondere Art
"Zeichen". Die Vermischung der beiden Blutstropfen
drückt etwas aus, ist ein Sinnbild für das,
was mit Blutsbrüderschaft gemeint ist: "Wir
sind jetzt 'blutsverwandt'." Anstelle einer solchen
symbolischen Handlung könnte man auch, ganz nüchtern,
einen Vertrag schließen. So würden heutzutage
Erwachsene vielleicht auch eher handeln. (Welche Männer
schließen heutzutage noch Blutsbrüderschaft ... ?)
Warum genügt es den Indianern nicht, sich einfach,
mit Worten, gegenseitig zu versprechen, daß sie
einander nun wie "Brüder" behandeln
wollen? Warum vollziehen sie eine solche symbolträchtige
Handlung? Irgendwie haben sie offensichtlich das Gefühl,
daß eine solche Handlung eine Art "Kraft"
hat, die zumindest in der Seele dieser beiden Männer
wirkt, die sich dadurch nämlich besonders stark
aneinander gebunden fühlen.
Auch wir "aufgeklärten" und rational
denkenden Menschen haben das Bedürfnis, wichtige
Momente im Leben durch symbolische Handlungen zu bekräftigen.
Denken wir an eine Eheschließung: Auch wenn das
Paar sich nicht "kirchlich" trauen läßt,
und damit das aus der Religion erwachsende Ritual vollzieht,
ist mit einer Trauung ein Zeremoniell verbunden. Rein
rechtlich würde es genügen, daß man
einen Vertrag unterschreibt wie beim Abschluß
einer Lebensversicherung.
Wenn ich kleine Kinder beobachte, die sich gegenseitig
"schwören", dies oder jenes getan oder
nicht getan zu haben, obwohl sie ganz und gar nicht
verstehen, was ein "Schwur" eigentlich ist,
dann wird mir immer wieder bewußt, wie "ursprünglich" der Sinn für Symbole ist.
Symbole (und symbolische Handlungen) sind allerdings
"nur" Zeichen, sie bewirken nicht direkt
etwas: Das Mischen der beiden Blutstropfen zwingt ja
die beiden Männer nicht, sich jetzt immer gegenseitig
zu helfen oder sich immer wie echte Brüder zu
verhalten. Im Gegenteil: Diese Handlung würde
überhaupt gar nichts bewirken, wenn jemand sie
mit einem Menschen ausführen würde, der dieses
Ritual nicht kennt, der nicht weiß, was es bedeutet.
Die Handlung "wirkt" nur dann, wenn die beiden
betreffenden Menschen dafür "empfänglich"
sind, wenn sie dieser Handlung "Bedeutung"
beimessen. Die Macht der Symbole liegt also in unserer
"Resonanz" für ihre Bedeutung, sie ist
vergleichbar der Macht der Worte beim Überzeugen
oder Überreden.
Symbole wirken auf unsere Seele.
Bei einem magischen Ritual dagegen glaubt der Betreffende,
daß die Handlung eine spezielle Wirkung ausübt,
unabhängig davon, wen es betrifft; die Handlung
wirkt "real". Um es an einem Beispiel zu
verdeutlichen: Wenn ich jemanden erschieße:
Ob er nun an Gewehre glaubt oder nicht, ob er einem
Gewehr Bedeutung beimißt oder nicht, er wird
von der Kugel verletzt (oder gar getötet), wenn
sie ihn trifft. In ähnlicher Weise glaubt derjenige,
der ein magisches Ritual vollzieht, daß diese
Handlung "real" etwas bewirken kann.
Astrologische Symbole: Symbole für die Eigenschaften
des Lebens (des Lebendigen)
Die Symbole der Astrologie stehen für sehr komplexe
Sachverhalte. Was sie verkörpern, kann man am
ehesten durch einen Vergleich mit Märchen erläutern:
Eigentlich sind Märchen sehr einfache Geschichten,
die aber Kinder (und Erwachsene) sehr tief bewegen
können. In den Märchen werden, auf symbolische
Weise, grundlegende und allgemeine menschliche Erfahrungen
geschildert, die wir alle, schon als Kinder, intuitiv
verstehen können. Die angeborene Fähigkeit
der Kinder, zuverallgemeinern, läßt sie
in diesen Geschichten das jeweilige Prinzip erkennen:
eine "Weisheit", ein "Gesetz der Natur
(der menschlichen Seele)", ein moralisches Prinzip
oder typische menschliche Eigenschaften.
In der Biologie, der "Lehre vom Lebendigen",
ist es bis heute noch nicht möglich, eindeutig
und erschöpfend zu definieren, was Leben genau
ist. In den zwanziger Jahren versuchte der damals
sehr bekannte Wiener Schriftsteller R. H. FRANCÉ,
der in München ein privates biolologisches Forschungsinstitut
gegründet hatte, eine "sinnverstehende",
ganzheitlich denkende Biologie zu entwickeln, "um
die vielfältigen Leistungen der Organismen zusammenhängend
zu verstehen." . In seinem Werk "Bios"
stellte Francé das Konzept einer solchen Biologie
vor.
Francé versuchte in seinem Werk zu zeigen, daß
man das Phänomen Leben durch eine kleine Anzahl
allgemeiner Prinzipien charakterisieren kann, die für
Leben generell zutreffen, unabhängig davon, um
welche spezielle Gattung (Pflanze, Tier oder Mensch)
es sich handelt: Grundnotwendigkeiten für die
Existenz von Leben. Bei der Suche nach solchen Symbolen
für die Eigenschaften des Lebens (des Lebendigen)
stieß er auf die Symbole der Astrologie. Seiner
Auffassung nach verkörpern die Bedeutungen, die
in der Astrologie den Planetensymbolen zugrundeliegen,
in ihrem Bedeutungskern solche Lebensgrundprinzipien.
So wie in den Märchen grundlegende Eigenschaften
der menschlichen Seele symbolisiert sind, so sind in
den Symbolen der Astrologie grundlegende Eigenschaften
des Lebens allgemein symbolisiert.
In diesem Kapitel geht es mir, wie eingangs beschrieben,
darum, den Zusammenhang zwischen astrologischen Deutungen
(Typen) und der Stellung der Gestirne verständlich
zu machen: Wenn also die Symbole der Astrologie Eigenschaften
des Lebendigen verkörpern, was hat das mit der
Stellung der Gestirne zu tun?
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